Die letzten Tage war ich unterwegs. In Wien. Ich habe meine Töchter getroffen und verabschiedet und habe viele Menschen getroffen und bin einigen begegnet. Ein Auftritt beim Poetry Slam in der Brunnenpassage hat mir viele neue Erkenntnisse gebracht: Über mich, über Sexismus, der uns immer noch begleitet und nicht gebrandmarkt wird so wie Rassismus, übers Schreiben, über Rassismus in vielen Nuancen.
Und ich habe extra dafür und auf Anregung einer Wiener Maria (von Maria 2.0) noch schnell einen Text über Maria 2.0 verfasst. Den konnte ich beim Poetry Slam nicht lesen, weil ich es falsch verstanden hatte und nur einmal ans Micro kam und nicht evtl. dreimal. Hihi. Aber kein geschriebenes Wort ist vergebens.
So habe ich ihn in der Maria 2.0 Gruppe in Wien-Inzersdorf in der Gemeinde St. Nikolaus vorgetragen. Es war ein toller Abend mit viel Austausch, mit Mut machen, mit gegenseitigem Zuspruch und wundern und staunen, was bei euch in Österreich, bei euch in Deutschland, bei euch in Wien, bei euch in Köln möglich ist und verübt wird.
Beide haben beklagt, dass Briefe/Mails an den Erzbischof nicht beantwortet werden. Dafür gab es gute Reaktionen von Bischöfen aus anderen Bistümern. Die Historikerin warf ein, dass sie keine Graswurzelbewegung kenne, die sich gehalten habe ohne eine Institution zu werden. Wollen wir uns also aus der Institution raushalten, um uns nicht korrumpieren und aufreiben zu lassen oder wollen wir versuchen, die Institution von innen, auch in ihren Gremien zu verändern? Eine sehr schwere Frage, die jedes nur für sich selbst und in Abwägung der eigenen Grenzen und Stärken abwägen kann.
Unser gemeinsames Ziel ist die Gerechtigkeit. Gendern auch im Göttesbild, war für manche neu und ungewohnt. In ihrem ersten Protestgottesdient habe die Wiener*innen im Kyrie deutlich gesagt, dass eine Frau mit Gewalterfahrung durch einen Mann unmöglich zu einem männlichen Seelsorger und Sakramentenspender gehen kann. Einer Besucherin des Göttesdienstes sind dabei die Augen aufgegangen.
Obwohl es ausreichend Priester gibt in Inzersdorf, die die Messe lesen – also entgegen den Vorgaben des zweiten Vaticanums, wonach in der heilige Messe alle Beteiligten eine Rolle spielen, wenn auch verschiedene Rollen – gestalten Liturgiemitarbeiterinnen zwei Mal im Monat – am 2. Samstag und am 3. Sonntag – einen Wortgottesdienst mit Kommunionausteilung selbständig. Diese Freiheit ist mit dem vorherigen Pfarrer eingeführt worden und erfreut sich zunehmender Beliebtheit, da die Gemeinde beteiligt ist in diesen Gottesdiensten.
Voller Stolz wurde mir berichtet, dass das Maria 2.0 Banner monatelang vor der Kirche stand während des Lockdowns, weil niemand es weggeräumt hat. So auch während der Wahl in der benachbarten Schule. Und das ganze Dorf kam auf dem Weg zur Wahl daran vorbei.
Bedauert haben wir gemeinsam, dass Maria 2.0 mittlerweile eine negative Einstellung zur katholischen Kirche unterstellt wird. Ein österreichischer Frauenverband wollte nicht mit Maria 2.0 zusammenarbeiten, weil sie sagten, mit diesem Forderungen bliebe konsequenterweise nur der Kirchenaustritt. Das hat die Inzersdorfer*innen getroffen, da sie ausdrücklich mit ihrem Motto: „Auftreten statt Austreten“ ihrem Weg begonnen haben als gemischtgeschlechtliche Maria 2.0 Gruppe. Viele sind im Pfarrgemeinderat und sie bilden die tragende Säule ihrer Gemeinde. Unsere Gruppe in Köln vereint Personen, die ausgetreten sind und die diesen Schritt nicht gegangen sind, diverse Personen, die weder männlich noch weiblich sind und Personen, die sich als Frau und andere als Mann präsentieren. Einig waren wir uns alle, dass unsere Kirche wieder allumfassend katholisch werden soll, wie ich es oben auf der Startseite geschrieben habe.
Früh haben sie in St. Nikolaus ihre Jugend mit eingebunden, indem sie sie z.B. gebeten haben, weiße Schleifen zur Amazonien-Synode bunt mit Maria 2.0 Logo zu bemalen.
So ein Austausch unter Geschwistern im Geiste ist etwas Wunderbares. Wir waren nicht alle einer Meinung und so sind viele neue Ideen entstanden und Perspektiven geöffnet worden.
Ich für mich habe zwei gute Vorsätze im Gepäck: Zum einen möchte ich zusammen mit anderen Marias deutsche Bischöfe anschreiben, die dem Gedanken der Gerechtigkeit zugeneigt sind, danach auch international. Ich möchte damit die reformbereiten Bischöfe unterstützen und mit unseren Erfahrungen, Wünschen, Bedürfnissen und Sorgen auf dem Laufenden zu halten. Sie dürfen nicht nur von Opus Dei und anderen konservativen Kreisen umgeben sein.
Zum anderen möchte ich mit vielen anderen Maria 2.0-Gruppen in Kontakt treten und über ein gerechtes Göttesbild in den Austausch treten. Wie gehen sie bei ihren Feiern damit um? Benutzen sie die Bibel in gerechter Sprache? Sprechen sie vom Göttlichen, von Göttin und Gott?
Wir werden sehen.
Wie hat Leo mir so lieb in mein Abschiedsgeschenk – das Buch „Frauen machen Kirche“ – geschrieben: „Möge der Hl. Geist – die Hl. Geistin ungebremst wirken können.“
In tiefer Dankbarkeit
Martina
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