Feministische Liturgie zu Ehren der Ermordeten und Überlebenden sexualisierter Gewalt

– Zum Ankommen – Klarinette live meditative Musik

– Begrüßung und Eröffnungstext:

Mechthild von Magdeburg  1207-1282

(spricht vom „fließenden Licht der Gottheit“, das seine „Gnade nicht zu halten vermag“)

Oh weh, Krone der heiligen Kirche, wie sehr bist du verdunkelt!

Deine Edelsteine sind dir entfallen,

deine Wahrheit ist vernichtet in der Lüge der Welt,

deine Blumen der Tugend sind dir abgefallen

deine Früchte sind dir erstorben

Weh dir, Krone des heiligen Priestertums!

Du hast nichts mehr als die Überreste deiner selbst,

Denn also spricht unser Herr:

Meine Hirten von Jerusalem sind Mörder und Wölfe geworden,

weil sie vor meinem Angesicht die … Lämmer morden

– Lied: Pur „Kinder sind tabu“ zeigt das Thema auf und die vielen Facetten, wobei klerikale sexualisierte Gewalt noch nicht in den Focus kam in den 80er Jahren, als das Lied entstand.

– Stille

Frauen werden vergewaltigt zwischen Null und 90 Jahren. Es hört nie auf. Keine Frau ist sicher. Jede dritte Frau hat sexualisierte Gewalt erlebt bis sie erwachsen ist. z.B. einen Zungenkuss vom Großvater, sexuell gestreichelt werden durch den Vater der besten Freundin, zwischen die Beine fassen und zudrücken während eines Familienfotos, Anfassen der Brüste beim Tanz zu Karneval und und und…

Wir alle haben Geschichten von sexualisierter Gewalt im Kopf. eure eigenen Gedanken, Erfahrungen und Einstellungen zur sexualisierten Gewalt.

Wer möchte, darf ein paar Gedanken auf das Blatt, das an der Bank liegt schreiben und zu einem späteren Zeitpunkt eingesammelt und von uns nach vorne zum Altar gebracht.

– Lied: Herbert Grönemeyer „Sie“ beschreibt einen Seelenzustand einer Überlebenden

– Gedanken

Heute in unserer Liturgie stehen die Überlebenden und die Ermordeten im Mittelpunkt, nicht die Täter*innen.

Wir sprechen bewusst nicht von Opfern oder Betroffenen, denn diese Begriffe schreiben die passive Leidensrolle fest. Sie halten die Menschen in Passivität und verlängern die Tat damit.

Es ist eine wunderbare Leistung, die jede Frau/jede Person/jeder Mann jeden Tag zeigt und auf die sie stolz sein können, wenn sie dieses Grauen überlebt haben. Und es jeden Tag neu überleben. Wenn sie nicht aufgeben, sich nicht das Leben nehmen, weil sie den Schmerz nicht mehr aushalten.

Wir freuen uns mit allen Überlebenden, dass sie den Mut zum Leben haben. Mit dieser schrecklichen Vergangenheit, die ihnen angetan wurde von Menschen, sehr häufig von Männern und ganz besonders schlimm, wenn die sexualisierte Gewalt von Priestern und Pfarrer*innen verübt wurde. Denn diese Männer und Frauen geben zum Teil vor, asexuell zu leben und behaupten gleichzeitig mit übermenschlicher, göttlicher Autorität zu handeln.

Wir verstehen sehr gut, wenn Frauen und Männer nicht mehr zu einem Vatergott beten wollen, wenn der eigene Vater ihnen statt Schutz zu bieten, z.T. über Jahre sexualisierte Gewalt angetan hat und gleichzeitig Liebe und Vertrauen erwartete, ja sogar ein eheähnliches Verhältnis mit der eignen Tochter pflegte, wie Jule Wolf in ihrem Buch: „Tochterfrau nannte er mich“ beschreibt über ihren Tätervater, der Pfarrer war.

Wir gedenken auch der Ermordeten von sexualisierter Gewalt. Wir gedenken der Kinder, deren Körper so grausam verwundet, auseinandergerissen, gefoltert wurde zur Befriedigung der Machtgelüste der Täter*innen, dass sie daran gestorben sind. Wir gedenken der Frauen, diversen Personen und Männer, die die seelischen Leiden in der Folge der sexualisierten Gewalt nicht mehr ertragen haben; die Frau Mitte 30 in Australien, die sich zwanzig Jahre nach den Verbrechen durch Priester damit an die Bischöfe wandte und für unglaubwürdig erklärt wurde. Daraufhin nahm sie sich das Leben.

Es macht mich unendlich traurig, mir dieses ganze Leid anzusehen, das vorsätzlich angetan wurde. Mein Körper tut mir weh, ich presse die Beine zusammen, meine Augen füllen sich mit Tränen. Ich bin wütend und unendlich traurig.

Stille

– So unfassbar dieses Leid ist, so möchte ich doch, dass es einen Ort bekommt.  

Da fällt mir der Gottesknecht/magd von Jesaja ein. Textlesung Jes 53, 1-3 aus der Bibel in gerechter Sprache

Predigt ganz kurz (1-3 Min)

– Lied: Wie nun, Ihr Herren PS 58

– Gedenken (Korb mit Steinen wird herumgereicht)

Wir haben hier eine kleines Gedenkstelle eingerichtet mit Bildern und Lebensgeschichten von Überlebenden und Ermordeten von sexualisierter Gewalt.

Im Judentum gibt es ein wunderschönes Ritual. Wenn Menschen an einen Gedenkort kommen, legen sie einen Stein nieder, um zu sagen: „Ich war hier und habe deiner gedacht!“ Daher möchten wir euch gerne einladen, im Abstand nach vorne zu kommen und eure mitgebrachten Steine abzulegen.

Jedes hat ein Blatt und einen Stift am Platz gefunden. Ihr dürft gerne eure Gedanken, eure Wut, eure Trauer, eure Erschütterung, euer Kopfschütteln zu Papier bringen und mit dem Stein am Altar niederlegen und vor Göttin/Gott/Göttliches tragen.

klassische Musik Klarinette live als Begleitung während des Gedenkens

– Magnifikat im Wechsel beten als Zeichen der Verbundenheit mit den Betenden im Kloster Fahr

– Segen alle zusammen am Altar

Wie können wir angesichts solch unseliger Taten von Segen sprechen? Es scheint mir fast nicht möglich. Und doch: alles in meiner Seele schreit nach Segen.

Segen Aarons  Num 6,22-27 aus der Bibel in gerechter Sprache

Nehmt diesen Segen mit und alles, was ihr hier erfahren habt und tragt es hinaus in euer Leben, euren Alltag und erzählt davon. Schweigen hilft nur den Täter*innen.

Wir stehen auf der Seite der Ermordeten und Überlebenden

Gehet hin in Frieden.

– Lied: Du bist gesegnet, ein Segen bist du, Helge Burggrabe